Die kleine Geschichte hinter vier Bildern

Es ist Sonntag, der 21. Mai 2023. Auf dem Rasenplatz in Beelitz empfangen die Frauen der SG Blau-Weiß Beelitz ihre Gegnerinnen vom SV Falkensee-Finkenkrug zum letzten regulären Spieltag in der Landesliga der laufenden Saison 2022/23. Es wiederholen sich die Abläufe, die wir alle, in ihrer manchmal schon monoton-langweiligen Routine, einfach akzeptieren. Die Frauen verschwinden in ihren Kabinen, ziehen sich um und schwören sich auf das kommende Spiel ein. Wie auf Kommando verlassen sie die Kabinen wieder und stellen sich, noch schnell vor dem Aufwärmen, zu den jeweiligen Mannschaftsfoto auf. Bis zu diesem Moment unterscheidet sich dieser letzte Spieltag nicht vom ersten, nicht vom sechsten oder gar vom elften Spieltag. Doch dann überraschen die beiden Mannschaften alle Anwesenden, mit einer seltenen ungewohnten Geste.

Der Fußball lebt von der sportlichen Gegnerschaft auf dem Platz. Dass diese Gegnerschaft auch nur ausschließlich genau da hinein gehört, eingerahmt durch die Seiten- und Torauslinien, wird allzu oft vergessen oder noch schlimmer, bewusst ignoriert. Das betrifft dann so manche Akteure auf dem Spielfeld, genau so wie einige ‘besondere’ Fans und auch nicht selten so manche Werte-freie Individualexistenz in der Coachingzone. Aber nicht an diesem Tag, nicht auf diesem Sportplatz, nicht mit diesen beiden Mannschaften. Wie selbstverständlich, stellen sich hier die selbstbewussten Frauen beider Teams, noch zu einem dritten, einem gemischten Mannschaftsfoto auf. Kontrahenten beim Fußball und auf dem Platz, eine Gemeinschaft für den Frauenfußball! Nur warum ist diese Aktion ein so besonderer Moment?

Hundertfach hat man Gleiches bereits schon zu anderen Gelegenheiten sehen können. Sogenannte besondere Anlässe machen die Verbundenheit der Kontrahenten scheinbar notwendig und sichtbar. Plötzlich erinnert man sich, in den wenigen Minuten vor einem Spiel, wieder daran ein Zeichen setzen zu müssen, gegen Rassismus, gegen Frauendiskriminierung, gegen Spezialoperationen und Krieg, für Diversität und/oder für mehr Anerkennung in Pflegeberufen usw. (Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen, die Reihenfolge bleibt beliebig.) Flankiert von zwei oder mehr Verbandsfunktionären mit eingefrorenem Dauergrinsen, die sich in der Sonne, ihrer ach so spontanen Idee und den eigentlich Aktiven in unserer Sportart, baden. Genau an diesem Sonntag war dieser Moment und das entstandene dritte Bild von all dem moralischen Ballast befreit.

Eigentlich kann nun wieder das Spiel in den Mittelpunkt rücken und diese kleine Geschichte wäre auserzählt. Aber nur eigentlich. Denn ihren Höhepunkt fand sie im Anschluss von ereignisreichen 90 Spielminuten. Wem auch immer es zu diesem Zeitpunkt klar wurde, aber die Gemeinschaft auf dem Bild vor dem Spiel war unvollständig. Der Frauenfußball lebt auch durch die Entscheidungen eines Schiedsrichtergespann. Fans sind auch auf den regionalen Sport- wie Bolzplätzen die zwölfte Frau, der zwölfte Mann. Lokale Sponsoren machen so manchen Spielbetrieb erst möglich. Diese Erkenntnis setzte sich in nur wenigen Sekunden durch und es entstand das wichtigste Bild an diesem Tag. Alle darauf, Spielerinnen, Trainer, Schiedsrichter, Fans, sie alle gemeinsam sind unser Fußball. Genau dies wurde im Anschluss zelebriert, beim gemeinsamen Grillen, Esse, Trinken, Lachen …

Ach ja, das letzte Saisonspiel an diesem Sonntag, auf dem Sportplatz in Beelitz, entschieden die Gastgeberinnen mit 3 : 0 für sich. Gewonnen aber hat der Frauenfußball!

Text und Bilder von Guido Fahrendholz

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